Mit Bildungsoffensive den drohenden Pflegenotstand abwenden

Personal- und Bildungspolitik befasst sich oft mit bereichsübergreifenden Themen, die sich über Jahre hinziehen. Nebst kleinen Verbesserungen und Anpassungen, die erzielt werden können, gibt es auch immer wieder grosse Würfe wie zum Beispiel der indirekte Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative.

Die H+ Umfrage 2019 bei den Mitgliedern zu den Löhnen der Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte zeigte kaum signifikante Unterschiede zwischen Frau und Mann. Aufgrund des fehlenden Handlungsbedarfs ist das Thema damit für H+ erledigt. 2020 wird die gesetzlich vorgeschriebene Lohngleichheitsüberprüfung des ganzen Spitalpersonals durchgeführt. Bei der Gesetzesumsetzung sollten kaum Probleme auftreten. Das politisch heikle Thema «unverschämt hohe Arztlöhne» hat in einigen Kantonen und Spitälern dazu geführt, dass die Lohnsysteme überprüft und zum Teil angepasst worden sind. H+ plant keine weiteren Massnahmen.

Mehrheitsfähiger Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative
H+ lehnte Ende 2017 die Pflegeinitiative insbesondere wegen der «Nurse-to-Patient Ratio» und dem Landes-Gesamtarbeitsvertrag ab. Der Bundesrat lehnte im März 2018 die Initiative ohne Gegenvorschlag ebenfalls ab, beauftragte aber das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), einen Massnahmenplan für berechtigte Anliegen der Initianten zu erarbeiten. Die Arbeitgeberverbände H+, CURAVIVA, Spitex Schweiz und senesuisse sowie die FMH und der SBK wurden vom Bundesrat zur Mitarbeit aufgefordert. Im Januar 2019 stiegen der SBK und die FMH aus dem Massnahmenplan des BAG aus. Die Arbeitgeberverbände stellten die Mitarbeit ebenfalls ein, nachdem klar wurde, dass es für die Umsetzung der Massnahmen kein Budget geben wird. Das BAG strich danach alle folgenden Sitzungstermine.
Seither haben sich die Arbeitgeber zur «Allianz der Arbeitgeber im Gesundheitswesen» zusammengeschlossen und sich auf Eckpunkte und Inhalte eines umsetzbaren und nützlichen indirekten Gegenvorschlags geeinigt. Das Initiativkomitee zeigte Interesse an einem gemeinsamen Vorgehen und überzeugte die SGK-NR von der Notwendigkeit eines indirekten Gegenvorschlags, dem auch die SGK-SR zustimmte. Im Rahmen der parlamentarischen Initiative (19.401 Pa.Iv. SGK-NR Für eine Stärkung der Pflege, für mehr Patientensicherheit und mehr Pflegequalität) erarbeitete die Kommission den Gesetzesentwurf des indirekten Gegenvorschlags, der von Mai bis Oktober 2019 in der Vernehmlassung war.

H+ Tool für Berechnung der notwendigen Pflegeberufe
H+ positioniert den Gesetzesentwurf als «Bildungsinitiative», um den Fokus von den Kosten wegzunehmen. Mit Hilfe eines von H+ entwickelten Tools illustriert der Verband die Auswirkungen und Wirksamkeit des indirekten Gegenvorschlags. Im Herbst 2019 nahm die die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) den Gesetzesentwurf ohne Änderungen an und die SGK-NR überwies ihn zur Beratung an den Nationalrat, wo er im neu zusammengesetzten Rat in der Wintersession 2019 beraten, genehmigt und fast ohne Änderungen an den Ständerat überwiesen wurde.
Für H+ und die «Allianz der Arbeitgeber» gibt es im Jahr 2020 noch viel zu tun, um die Initianten zum Rückzug ihrer Initiative zu bewegen. Der indirekte Gegenvorschlag soll so gestaltet werden, dass er keine Prämienrelevanz hat und im Parlament mehrheitsfähig ist. Wenn der Gegenvorschlag dadurch nicht referendumsträchtig ist, kann die Initiative zurückgezogen werden, ohne dass es zu einer Volksabstimmung kommt.

Sprachnachweis B2 für Schweizer Ärzte
Trotz erneuten Interventionen gegen den Sprachnachweis B2 im Medizinalberufegesetz (MedBG) bleibt der Bundesrat hart. Und es kommt noch schlimmer: In der Zulassungssteuerung im KVG schiesst der Gesetzgeber mit dem vorgeschriebenen Sprachnachweis C1 für Ärztinnen und Ärzte weit über das Ziel hinaus. Es ist für H+ absurd, dass in unterschiedlichen Gesetzen verschiedene Sprachniveaus gefordert werden. Das Engagement für eine praxistauglichere Lösung geht weiter.

Einführung Jahresarbeitszeit und Abschaffung Zeiterfassungspflicht
Die parlamentarische Initiative von Karin Keller-Sutter (16.423. Ausnahme von der Arbeitszeiterfassung für leitende Angestellte und Fachspezialisten.) wurde abgeschrieben, diejenige von Konrad Graber (16.414. Teilflexibilisierung des Arbeitsgesetzes und Erhalt bewährter Arbeitszeitmodelle) geht im Januar 2020 in die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) zur Anhörung der Verbände. H+ begrüsst grundsätzlich eine Flexibilisierung der Arbeits- und Ruhezeiten, allerdings basiert die Initiative auf einer 45-Stunden-Woche, was z. B. der Ärzteschaft mit einer 50-Stunden-Woche kaum Flexibilisierung bringt. Hier gilt es noch nachzubessern.

MEI-Umsetzung mit besseren Meldelisten
In Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Arbeitgeberverband (SAV), dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem Bundesamt für Statistik (BFS) verbesserte H+ das Flickwerk «Jobmeldeliste». Das war unbedingt nötig, denn 2020 sinkt die Schwelle für meldepflichtige Berufe von bisher 8 auf 5 Prozent. Ohne differenzierte Berufslisten würde die Meldepflicht sich auf zu viele Berufsgruppen ausdehnen und damit den administrativen Leerlauf vergrössern und die Rekrutierung behindern.

Bildungsstrategie 2030 des Bundes
Zur Stärkung der Verbundpartnerschaft setzt sich H+ mit anderen Branchenverbänden beim SAV für den Erhalt der Einflussnahme in Bildungsfragen gegenüber dem SBFI ein. H+ wirkt beim SAV in der ständigen Arbeitsgruppe «Bildung» mit, wo neu der «Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess» arbeitgeberseitig intern entwickelt wird. Nach aussen werden die Prozesse überarbeitet, mit denen Bildungsfragen und Anliegen bei den Verbundpartnern (SBFI, Kantone, Sozialpartner) eingebracht werden sollen. Die Stärkung der Rolle der OdAs ist Teil dieser Bemühungen. Ein Anfang ist gemacht, es gibt aber noch einige Zeit viel zu tun.

Grosses Engagement
H+ dankt den vielen Mitarbeitenden in Spitälern, Kliniken und Pflegeinstitutionen für ihr grosses Engagement, die Mitarbeit an Vernehmlassungen und die Beiträge für Berichte und Positionspapiere. Ein grosser Dank geht ferner an jene Spezialisten und Experten, die in H+ Fach-, Begleit-, Steuer-, Qualitätssicherungs- sowie Entwicklungskommissionen und Arbeitsgruppen neben ihrem Beruf einen wichtigen Einsatz in der Personal- und Bildungspolitik für alle Verbandsmitglieder geleistet haben.

Kontakt


Jürg Winkler
Fachverantwortlicher Personal- und Bildungspolitik