Massnahmenpaket 1 etappieren mit Fokus auf Tariforganisation

KVG-Revisionen sind Spiessrutenläufe und enden immer wieder mit der Ablehnung im Parlament oder durch die Stimmbevölkerung. 2019 zeichnete sich zwar eine Wende ab, doch einzelne Revisionen sind noch stark umstritten oder absturzgefährdet.

Das Massnahmenpaket 1 zur Kostendämpfung mit insgesamt neun KVG-Änderungen lässt sich in zwei Kategorien einteilen. Bei den Vernehmlassungsteilnehmenden allgemein willkommen sind: Nationale Tariforganisation, Pauschalen im ambulanten Bereich fördern und Tarifstruktur aktuell halten, Experimentierartikel «Ja, aber nicht so kompliziert». Umstritten sind: Massnahmen der Tarifpartner zur Steuerung der Kosten, Rechnungskopie für Versicherte, Rechnungskontrolle stärken, Beschwerderecht für Versicherer bei der Spitalplanung, Referenzpreissystem bei Arzneimitteln.
Als Gesamtpaket hätte die Vorlage aufgrund der zu erwarteten unheiligen Allianzen weder im Parlament eine Chance und schon gar nicht bei einer allfälligen Referendumsabstimmung. Die Akteure liessen teilweise schon in der Vernehmlassung durchblicken, dass alle kontroversen Themen referendumsträchtig sind oder beim Beschwerderecht für Versicherer gegen Spitalplanungen die Kantone zusammen mit den Leistungserbringern auf die Barrikaden gehen würden.

Massnahmen für ambulante Tarife vorziehen
Zur Beendigung der Tarifeingriffe des Bundes und zur Stärkung der Tarifautonomie forderte H+ Anfang Mai 2019 alle Tarifpartner auf, mit der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) und der SwissDRG AG eine neue Firma für die Revision und Pflege des Tarifes für ambulante Medizin zu gründen. Die im Massnahmenpaket 1 des Bundes zur Kostendämpfung vorgeschlagene gemeinsame Organisation für «Tarife ambulante Medizin» muss freiwillig vorgezogen und nun so rasch als möglich gegründet werden. Mitte August 2019 doppelte H+ nach und verlangte vom Parlament, die gesetzliche Verankerung einer nationalen Tariforganisation nun prioritär zu behandeln. H+ wünscht, dass das Massnahmenpaket in eine erste Etappe mit den willkommenen Massnahmen und eine zweite mit den umstrittenen aufgeteilt wird. Die Massnahmen wurden der SGK-N überreicht, die als Startschuss im Jahr 2020 ein Hearing über das weitere Vorgehen aufgleiste.

Qualität und Wirtschaftlichkeit unter Dach und Fach
Geschafft hat es die KVG-Revision «Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit» nach einem aufwändigen Differenzbereinigungsverfahren. Ein verbissener Kampf wurde um die alles überschattende Form und Zusammensetzung der Qualitätskommission als zentrales Steuerungselement geführt. In der neuen Qualitätskommission sollen gemäss Schlussversion neben Kantonen, Leistungserbringern, Fachpersonen, Versicherern und den Versicherten auch die Patientenorganisationen vertreten sein. Heiss umstritten war auch die Finanzierung, wobei sich am Schluss der Kompromiss durchsetzte, dass Bund, Kantone und Versicherer je einen Drittel übernehmen müssen. In der Schlussabstimmung passierte die Vorlage im Nationalrat einstimmig und im Ständerat mit sicherer Mehrheit. Das Referendum wurde wie erwartet nicht ergriffen und der Bundesrat wird 2020 entscheiden, wann die KVG-Revision in Kraft treten soll.

Zulassung von Leistungserbringern noch in der Schwebe
Die immer wieder verlängerte Übergangsregelung «Zulassung von Leistungserbringern» erhielt den Kosenamen «le provisoire qui dure». Da die schlanke Vorlage des Bundesrates in der Parlamentsdebatte mehrfach mit umstrittenen Zulassungsbeschränkungen und Steuerungsmassnahmen angereichert wurde, führte dies zu einer aufwändigen Differenzbereinigung zwischen National- und Ständerat. 2020 wird das Seilziehen weitergehen mit ungewissem Ausgang. Würde die Vorlage in der Schlussabstimmung scheitern oder allenfalls in einem Referendum vom Souverän abgelehnt, wäre «le provisoire qui dure» startklar für eine weitere Verlängerung um zwei bis drei Jahre.

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Conrad Engler
Leiter Geschäftsbereich Politik a.i.